Vorgeschichten

Gustav Ritter von Overbeck

Alexandra Nachescu

Gustav Overbeck (1830 – 1894,k. u. k.  Generalkonsul für Hongkong und Macao und k.k. Commissär für Süd-China im Rahmen der Wiener Weltausstellung, ), fand im Jahr 1873  große Beachtung. Die Wiener Presse nannte ihn als maßgeblichen Impulsgeber der chinesischen Repräsentation. So hieß es laut einem Bericht vom Juni 1873 in der Wiener Weltausstellungszeitung:

„Das bewegte Leben dieses erheblichen Mannes [bietet] Stoff zu mancher höchst interessanter [sic!] Schilderung, seine Erfolge und die der in ganz Ostasien hoch angesehenen Firma sind ein Glanz der Beweise seiner Energie und großartigen Thätigkeit [sic!] und gereichen Österreich zu hoher Ehre.“ [1]

Overbecks Leben war eines voller Höhen und Tiefen. Es zeugt von den komplexen internationalen Verflechtungen, die hinter den Kulissen der Wiener Weltausstellung bestanden [2]. Im selben Artikel als „der reichste und größte Aussteller in Süd-China“ belobt [3], ist er ein prägnantes Beispiel dafür, wie eine Beteiligung an der Ausstellung und die zugehörige Presseberichterstattung den eigenen kaufmännischen Interessen dienen konnte.

Er wurde in der Hansestadt Lemgo im Jahr 1830 geboren und stammte aus einer etablierten Kaufmanns- und Akademikerfamilie[4]. Nach einer kurzen kaufmännischen Lehre in Bremen bei seinem Onkel wanderte er 1850 zu Zeiten des kalifornischen Goldrauschs nach Amerika aus. Er gab jedoch seine Bemühungen im Bergbau auf, um die vielen Handelsmöglichkeiten zu nutzen, die der Wirtschaftsboom in Kalifornien bot [5]. So arbeitete er als Supercargo und nahm an mehreren Handelstouren und wissenschaftlichen Expeditionen teil. Schließlich kam er 1855 in Hongkong an und wurde bei der Handelsfirma Dents angestellt [6]. Er machte sein erstes Vermögen, indem er Versicherungen im kriegsbetroffenen Shanghai verkaufte. Zusätzlich profitierte er von anderen Geschäftsmöglichkeiten, die sich in Folge der sozialen Unruhen der Taiping-Rebellion ergaben [7].

Mit dem finanziellen Erfolg stieg auch die Stellung von Overbeck in der internationalen Gemeinschaft Hongkongs. Zuerst erhielt er im Jahr 1856 das Amt des Vizekonsuls für Preußen, 1861 wurde er Vertreter für den Konsul von Österreich-Ungarn und 1864 schließlich als Honorarkonsul für Österreich-Ungarn ernannt [8]. Die Ernennung von hochgestellten Kaufleuten als Honorarkonsuln für ein Land (oder gar mehrere Länder gleichzeitig), zu denen sie vorher kein Verhältnis hatten, war nichts Außergewöhnliches in ostasiatischen Hafenstädten [9].

Overbeck war in der Förderung des österreichisch-ungarischen Handels in Südchina aktiv, besonders durch seine Teilnahme an den Verhandlungen mit Ruilin (?-1874), dem Generalgouverneur von Guangdong und Guangxi. Ziel jener Verhandlungen im Jahr 1866 war, das kaiserliche Konsulat Hongkongs in den zwei Provinzen anzuerkennen [10]. Overbeck setzte sich bei der Regierung für die Organisation von Handelsexpeditionen und die Einrichtung einer stärkeren konsularischen Präsenz ein. Nebenbei kündigte er seine Bereitschaft an, die Rolle eines hypothetischen Generalkonsuls für Südchina anzunehmen [11]. Bereits 1866 erhielt er die Eiserne Krone (Dritte Klasse) und 1867 das Komtur-Kreuz des Franz-Josef-Ordens für seine Bemühungen [12].

Als Honorarkonsul war Overbeck auch an der Unterstützung von Museumssammlungen und wissenschaftlichen Aktivitäten an ihren Standorten beteiligt. Vor seiner Involvierung in der Wiener Weltausstellung half er beim Sammeln von Objekten für die Novara-Expedition im Jahr 1858 und die kaiserliche Mission in Ostasien von 1869 bis 1871 [13].

Diese Tätigkeiten führten dazu, dass Overbeck die Organisation eines besonderen Transports verantwortet wurde, nämlich von dem inzwischen offiziell ernannten Generalkonsul für Ostasien, Heinrich von Calice (1831 – 1912), und dem Leiter des Seezollamtes Robert Hart (1835 – 1911) [14]. Er ging noch einen Schritt weiter und stellte eine ergänzende Sammlung zusammen. Neben Gemälden, Möbeln und Handelswaren aus eigenem Besitz enthielt sie pflanzliche Proben des Botanikers und Missionars Ernst Faber (1839 – 1899) [15] sowie kommerzielle Waren, die zusammen mit Berichten über die lokale Produktion verschiedener Exporteure präsentiert wurden, wie z. B. Teeproben von A. W. G. Rusden aus Fuzhou [16].

Durch Artikel wie jenen in der Wiener Ausstellungszeitung wurde Overbeck nicht nur als tüchtiger Geschäftsmann dargestellt, sondern auch als jemand, der die Reichsten des Ostens vor die Tore Wiens bringen konnte. So hieß es in einem anderen Bericht:

„Overbeck, dessen Wissen und schätzbare Kenntnisse der chinesischen Industrie und Kunstsinn unseren Museen und wissenschaftlichen Instituten schon manchen Vortheil [sic!] brachte, hat diese interessante Kollektion zu einer Zeit zu Stande gebracht, in welcher eine Betheiligung [sic!] der chinesischen Regierung an der Ausstellung nur wenig Hoffnung hatte.“ [17]

Anlässlich der Wiener Weltausstellung 1873 kam Overbeck nach Wien und wurde für seinen Beitrag zur Ausstellung mit dem österreichischen Freiherrenstand ausgezeichnet [18].

Sein Aufenthalt war nicht nur seiner großzügigen Spende für die österreichische Wissenschaft und Wirtschaft zu verdanken: Er suchte nach österreichisch-ungarischen Finanzierungsmitteln, um die Regierungsrechte von Sabah (heute im malaysischen Teil von Borneo) durch die American Trading Company of Borneo zu kaufen und dort eine Konzession zu errichten [19]. Overbeck konnte diese Initiative nicht selbst finanzieren. Er litt zu jener Zeit unter Geldmangel, möglicherweise wegen einer gescheiterten Zuckerraffinerie im damaligen Siam und des Zusammenbruchs des Immobilienmarktes in Hongkong. Vielleicht war auch sein kostspieliger Lebensstil schuld. Overbeck war berühmt dafür, ein Schloss im europäischen Stil in Hongkong gebaut zu haben, und hatte gerade eine ganze Flotte von Rennpferden erworben [20].

Seine Werbung und Lobbyarbeit bei österreichisch-ungarischen Staatsmännern und seine Versprechen hatten keinen Effekt – er wandte sich später erfolglos an Deutschland und schließlich an eine britische Firma, um seine Borneo-Unternehmungen zu finanzieren [21].

Obwohl Overbeck in den nächsten paar Jahren mehrmals versuchte, wieder österreichisch-ungarische Unterstützung für seine Bemühungen zu bekommen [22], entsagte er bald seiner Rolle als Mittler zwischen Wien und Hongkong. Ab 1876 gab er seine Konsulatspflichten ab und widmete sich nur noch seinen Angelegenheiten in Südostasien [23].

Quellen

[1] Gustav Ritter von Overbeck, in: Wiener Weltausstellung-Zeitung, Nr. 13, 19. Februar 1873, Online: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wwz&datum=18730219&seite=1&zoom=33&query=%22China%22&ref=anno-search / S. 1.

[2] Die Biographie von Gustav Overbeck wurde hauptsächlich in 1959 im Aufsatz von Rainer Pape bearbeitet, aus dem Familienarchiv von Gustav Overbeck – siehe Pape 1959. Weitere Ergänzungen befinden sich in Lueke 2021 und Lehner 1995.

[3] Gustav Ritter von Overbeck, in: Wiener Weltausstellung-Zeitung, Nr. 13, 19. Februar 1873, Online: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wwz&datum=18730219&seite=1&zoom=33&query=%22China%22&ref=anno-search / S. 1.

[4] Rainer Pape, Gustav Freiherr von Overbeck (1830–1894). Eine biographische Skizze. In: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde, 28, 1959, S. 163–217. / S. 164. & Florian Lueke, Konsul, Kaufmann, Maharadscha. Zur Erinnerung an Gustav Freiherr von Overbeck (1830–1894). In: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde, 90, 2021, S. 233–255. / S. 235-236.

[5] Rainer Pape, Gustav Freiherr von Overbeck (1830–1894). Eine biographische Skizze. In: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde, 28, 1959, S. 163–217. / S. 166-169.

[6] Ebd. / S. 169. & Florian Lueke, Konsul, Kaufmann, Maharadscha. Zur Erinnerung an Gustav Freiherr von Overbeck (1830–1894). In: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde, 90, 2021, S. 233–255. / S. 239.

[7] Florian Lueke, Konsul, Kaufmann, Maharadscha. Zur Erinnerung an Gustav Freiherr von Overbeck (1830–1894). In: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde, 90, 2021, S. 233–255. / S. 237-238.

[8] Rudolf Agstner. Handbuch Des K. (u.) K. Konsulardienstes : Die Konsulate Der Donaumonarchie Vom 18. Jh. Bis 1918. Wien 2018. / S. 68. & Rainer Pape, Gustav Freiherr von Overbeck (1830–1894). Eine biographische Skizze. In: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde, 28, 1959, S. 163–217. / S. 173 & S. 175.

[9] George Lehner, Beiträge Zur Geschichte Der K.(u.)k. Konsularvertretungen in China Von Der Mitte Des 19. Jahrhunderts Bis Zum Ende Des Ersten Weltkrieges. Wien 1995. / S. 84.

[10] Ebd. / S. 101-102.

[11] Ebd. / S. 98.

[12] Rainer Pape, Gustav Freiherr von Overbeck (1830–1894). Eine biographische Skizze. In: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde, 28, 1959, S. 163–217. / S. 187.

[13] Ebd. / S. 175. & Florian Lueke, Konsul, Kaufmann, Maharadscha. Zur Erinnerung an Gustav Freiherr von Overbeck (1830–1894). In: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde, 90, 2021, S. 233–255. / S. 239.

[14] Der Orient. II. China. in: Wiener Zeitung, Nr. 113, 16. Mai 1873, Online: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18730516&query=%22GUstav%22+%22Overbeck%22&ref=anno-search&seite=11 / S. 11.

[15] Gustav Ritter von Overbeck, Special-Catalog Der Chinesischen Ausstellung. III. Abtheilung. Boden Industrie Und Kunst-Produkte, Wien 1873. / S. 9-10/15-16. & Wilhelm Matzat, Faber, Ernst, Dr. theol.h.c. (1839 – 1899), Missionar, in: Tsingtau.org -Beiträge zur Geschichte Tsingtaus (Qingdao) – 1897 bis 1953 (Blog), 20.07.2007, Online: https://tsingtau.org/faber-ernst-dr-theolhc-1839-1899-missionar/

[16] Gustav Ritter von Overbeck, Special-Catalog Der Chinesischen Ausstellung. III. Abtheilung. Boden Industrie Und Kunst-Produkte, Wien 1873. / S. 8.

[17] China auf der Ausstellung, in Gemeinde-Zeitung: unabhängiges politisches Journal, 36,  24. Mai 1873, S. 9-10, Online:https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=gem&datum=18730524&seite=10&zoom=33&query=%22GUstav%22%2B%22Overbeck%22&ref=anno-search / S. 10.

[18] Rainer Pape, Gustav Freiherr von Overbeck (1830–1894). Eine biographische Skizze. In: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde, 28, 1959, S. 163–217. / S. 191.

[19] Steven Press, Rogue Empires: Contracts and Conmen in Europe’s Scramble for Africa. Cambridge 2017. / S. 55.

[20] Florian Lueke, Konsul, Kaufmann, Maharadscha. Zur Erinnerung an Gustav Freiherr von Overbeck (1830–1894). In: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde, 90, 2021, S. 233–255. / S. 247.

[21] Steven Press, Rogue Empires: Contracts and Conmen in Europe’s Scramble for Africa. Cambridge 2017. / S. 63.

[22] Ebd.

[23] George Lehner, Beiträge Zur Geschichte Der K.(u.)k. Konsularvertretungen in China Von Der Mitte Des 19. Jahrhunderts Bis Zum Ende Des Ersten Weltkrieges. Wien 1995. / S. 191.

 

Veröffentlicht: 2023