Rudolf Eitelberger und die Wiener Weltausstellung (1/2)
Kristin Koblitz
Rudolf von Eitelberger (1817-1885) war in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine der führenden Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Kunst und Kunstindustrie in Wien. Er gilt als Begründer der universitären Kunstgeschichte und war Gründungsdirektor des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie, dem heutigen MAK. Sein Name fällt im Zusammenhang mit dem Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung zwar öfter, doch seine Funktionen blieben an seiner Reputation gemessen unbedeutend. So war er Mitglied der Abteilung Arrangement des Kunstgewerbes (hier ging es um die Platzzuteilung und Anordnung in den jeweiligen Pavillons)und arbeitete in den Abteilungen Erziehungs-, Unterrichts- und Bildungswesen und Frauenarbeit und Bildung mit [1]. Dieser Text begibt sich auf Spurensuche nach seiner Rolle (bzw. Nicht-Rolle) bei diesem Großereignis der Wiener Weltausstellung von 1873.
Eitelberger wurde 1817 in Olmütz (im heutigen Tschechien ) geboren und studierte in der Reichshauptstadt Wien ab 1837 Philosophie, Philologie und Ästhetik. Sein eigentliches Interesse galt schon früh der Kunstgeschichte, die damals noch nicht als anerkannte Geisteswissenschaft galt. Nachdem er jahrelang kunsthistorische Vorträge zur Ästhetik der bildenden Künste als Privatdozent an der Akademie der bildenden Künste und am Polytechnischen Institut für interessierte Laien und Studenten gehalten hatte, ging sein Wunsch nach einer Professur für Kunstgeschichte und Kunstarchäologie am neugeschaffenen Institut 1852 in Erfüllung. Sein eigentliches Lebenswerk war jedoch das neugeschaffene Museum für Kunst und Industrie in Wien, dessen langjähriger Direktor er 1864 wurde. Vier Jahre nach der Gründung eröffnete die angeschlossene Kunstgewerbeschule ihre Lehrtätigkeit. Bis zu seinem Tod im Jahre 1885 arbeitete er unermüdlich daran, die Qualität des Kunstgewerbes in Wien zu steigern, die ökonomische und künstlerische Komponente der kunstgewerblichen Produktion auf einen Nenner zu bekommen und damit das Kunstgewerbe in der Moderne neu zu positionieren [2].
Um die Rolle Eitelbergers in Bezug auf die Wiener Weltausstellung zu verstehen, muss man einige Jahre zurückgehen. Auf der 1. Weltausstellung 1851 war sichtbar geworden, dass das europäische Kunstgewerbe in Folge einer rasch fortschreitenden Industrialisierung in der Krise war und akuter Reformbedarf bestand. Auf wissenschaftlicher Basis wurden Kriterien erarbeitet, die die funktionelle Form und deren ästhetische Ausarbeitung betrafen [3]. Die Strategien zeigten Erfolg und die Weltausstellungen dienten als Katalysator dieser Entwicklungen. 1862 befand sich Eitelberger als Berichterstatter bei der 3. Weltausstellung in London und konnte die Fortschritte des englischen Kunsthandwerkes mit eigenen Augen sehen. Er führte diese Entwicklung auf die Gründung des South Kensington Museums, dem heutigen Victoria and Albert Museum und der angeschlossenen Kunstgewerbeschule zurück und begann anschließend mit der Planung einer ähnlichen Institution für Wien [4]. Erzherzog Rainer, ein Cousin Kaiser Franz Josephs, war sein Ansprechpartner und späterer Protektor des neuen Museums für Kunst und Industrie. Dieser hatte bei der Wiener Weltausstellung auch die Rolle des Präsidenten der Weltausstellungskommission inne. Als die Weltausstellung im Jahre 1873 dann in Wien stattfand, glaubte Eitelberger an dieses große Projekt der weltumspannenden Kulturschau. Mit Enthusiasmus ging er an die Planung dieses Großereignisses heran und betonte immer wieder die Wichtigkeit einer weltweiten Vernetzung:
„Was der Weltverkehr bedeutet, was dazu gehört, in denselben mit sicherer Hand einzugreifen, ist erst durch die Weltausstellungen der großen gebildeten Welt fühlbar geworden. Sie erziehn den Menschen zum Weltbürger und lassen ihn den Werth jener Arbeit erkennen, welche den Menschen befähigen, der Gesammtheit der Menschen nützlich zu sein.“[5]
Quellen
[1] Experiment Metropole – 1873: Wien und die Weltausstellung. 397. Sonderausstellung des Wien Museums, Hrg.: Wolfgang Kos und Ralph Gleis, Czernin Verlag, Wien, 2014. / S. 222-229.
[2] Eva Kernbauer, Kathrin Pokorny-Nagel, Raphael Rosenberg, Julia Rüdiger, Patrick Werkner, Tanja Jenni (Hrg.) : Rudolf Eitelberger von Edelberg. Netzwerker der Kunstwelt, Festschrift, Böhlau Verlag, Wien, 2019. / S. 442-449.
[3] Gottfried Semper behandelt dieses Thema ausführlich in seinem Text Wissenschaft, Industrie und Kunst aus dem Jahre 1851.
[4] Eva Kernbauer, Kathrin Pokorny-Nagel, Raphael Rosenberg, Julia Rüdiger, Patrick Werkner, Tanja Jenni (Hrg.) : Rudolf Eitelberger von Edelberg. Netzwerker der Kunstwelt, Festschrift, Böhlau Verlag, Wien, 2019. / S. 20-25.
[5] Rudolf von Eitelberger: Die österreichische Kunst-Industrie und die heutige Weltlage, Wien 1871. / S. 82.
Veröffentlicht: 2023