„Fortschritt, Wohlstand, Verbreitung nützlicher Kentniße“:
Wie der k.k. Diplomat Heinrich von Calice der chinesischen Regierung die Idee einer Weltausstellung beschrieb (3/4)
Lukas Nickel
Ferner habe ich die Ehre, Hochdenselben einen Plan des Ausstellungspalastes und der ihn umgebenden Nebengebäude und Gärten zu überreichen. Den Grund und Boden hievon bildet ein Theil des in unmittelbarer Nähe der kais. Residenzstadt gelegenen kais. Lustgartens und Parkes, “Prater” genannt, und wurde selber von Sr. Maj. Dem Kaiser und Könige, unter dessen allerhöchstem Patronat die Ausstellung abgehalten werden soll, zu diesem Zwecke großmüthig überlaßen. Auch werden die in den großartigsten Dimensionen angelegten und mit der größten Pracht auszustattenden Ausstellungsgebäude und Gärten auf Kosten der k. u. k. Regierung mit dem Aufwande von mehreren Millionen Taels hergestellt. Abtheilungen hievon sind jedem einzelnen fremden Staaten zur Verfügung gestellt worden und ebenso ist ein eigener Pavillon für den Gebrauch der Kais. chines. Regierung und Ihres großen Landes reservirt. Es sind ferner auf öffentliche Kosten Eisenbahnen und Kanäle sowie andere Communikationsmittel zur Erleichterung der Güterbewegung während der Ausstellung, ebenso auch große und zahlreiche Hotels und andere Gebäude zur Beherbergung der Fremden errichtet worden.
Calice charakterisiert nun die Weltausstellung als eine Initiative des österreichisch- ungarischen Kaiserhauses, wohl um das in China gehegte Argument zu entkräften, dass Industriemessen eine Angelegenheit von „niederen“ Ständen wie Händlern und Kaufleuten sei. Aus den gleichen Grund betont er die aktive Rolle, die die k.k. Regierung genommen habe.
In ganz besonderer Obsorge für den Erfolg dieses großen und gemeinnützigen Unternehmens haben Se. K: u. K: kg. Majestät allergnädigst geruht, allerhöchstdeßen Bruder, Se K. u. K. Hoheit Erherzog Carl Ludwig zum Prokektor desselben, und ein anderes Mitglied der K: u. K: Familie, Se K: u. K: Hoheit Erzherzog Rainer zum Präsidenten der mit der Verwaltung aller bezüglichen Angelegenheiten im Einzelnen betrauten großen Commission zu ernennen, welche letztere die höchsten Würdenträger des Reiches sowie auch die größten Capacitäten aller einzelnen Fächer als Mitglieder angehören. Unmittelbarer Leiter der Ausstellung aber ist der k: u. k: geheime Rath Se Exc. Freiherr von Schwarz-Senborn, welcher in Folge seiner schon vielfach bewährten außerordentlichen Erfahrung und Gewandtheit in solchen Angelegenheiten eine weitverbreitete Berühmtheit erlangt hat.
In allen Provinzen sowie in den größeren Städten und Orten der k: u. k: Monarchie sind ferner locale Commissionen thätig, welche mit Unterstützung der kais. Statthalter und der andern kais. Beamten für die entsprechende Vertretung ihrer Districte auf der Ausstellung zu sorgen haben.
Den Anstrengungen des Inlandes entsprechen völlig jene des Auslandes. Die Großmächte Europäs und Amerikas, sowie die übrigen wichtigen Staaten der Erde haben, der Einladung der k: u. k: Regierung folgend, ihre Mitwirkung bereitwilligst zugesagt und solche Maßregeln ergriffen, welche eine geeignete Vertretung der betreffenden Länder und ihrer Colonien auf der Ausstellung sichern.
Hier unterstreicht Calice erneut das Ausmass, in dem sich Regierungen vernünftigerweise einbringen sollten. Er betont vor allem drei Maßnahmen, die er sich auch von der chinesischen Regierung erhofft: das Einsetzen einer zentralen Kommission, die die Ausstellung des Landes organisiert; die Zusammenstellung einer eigenen Exposition der Regierung mit hochwertigen Objekten aus staatlichem Besitz, und die Finanzierung des Transportes und der Ausstellung aus staatlichen Mitteln.
Ueberall wurden besondere Ausstellungscommissionen eingesetzt und zwar: in den monarchisch regierten Staaten, wie z. B. in Deutschland, Großbritannien, Rußland, Italien, Japan, u. s. w. zumeist unter der Leitung kais: oder kön: Prinzen; überall werden von diesen Commissionen die nöthigen Kundmachungen Instructionen und Einladungen erlaßen, damit die Betheiligung des Publikums eine entsprechende werde; überall endlich treten die Regierungen mit derlei Leistungen ein, welche von der Privatunternehmung nicht wohl erwartet werden könne. Insbesondere aber sorgen die Regierungen und die von ihnen eingesetzten Commissionen für die ordnungsmäßige Verschickung, Aufstellung und das sonstige Schicksal der auszustellenden Gegenstände.
Aber die Regierungen betheiligen sich meistens auch selbst als Aussteller, besonders mit den Erzeugnißen der eigenen Fabriken, Arsenale, und anderen öffentlichen Anstalten, mit der Darstellung der Einrichtung, Maschinen und anderen Hilfsmitteln der Letztern, ihrer Erzeugungsmethoden u. s. w., ferner mit den auf öffentlichen Kosten gedruckten Büchern und Karten, mit wissenschaftlichen Instrumenten und sonstigen Gegenständen, welche entweder zu einem officiellen Gebrauche dienen oder aus sonstigen Gründen die Regierungen speciell angehen.
Natürlich ist aber die Art der Wirksamkeit der Regierungen und der von ihnen eingesetzten Ausstellungscommissionen je nach den Eigenthümlichkeiten der Länder eine verschiedene. Anders wird die Theilnahme der Türkei, von Persien, Egypten sich gestalten; anders jene von Deutschland, Großbritannien, Rußland, Frankreich, u. s. w. In einigen Ländern wird die Theilnahme der Privatleute, in andern jene der Regierungen größer sein. Auch ist zu erwarten, daß näher gelegene Länder und solche, welche mit dem Wesen und Nutzen derartiger Ausstellungen bereits vertraut sind, eine verhältnißmäßig größere Theilnahme bestätigen, als entferntere und daran ein minderes Interesse nehmende.
Das Wesentliche was ich aber E. Exen. in dieser Beziehung zu berichten habe, ist, daß in fast allen Ländern aller fünf Welttheile solche Vorbereitungen bereits im Zuge sind, daß eine allseitige höchst belehrende und nützliche Ausstellung zu erwarten steht und der Erfolg umsomehr gesichert erscheint, als viele Regierungen, wenn auch nicht in demselben Maße wie die k: u. k:, doch immerhin nicht unbedeutende besondere Geldfonds diesem Zwecke gewidmet haben.
Dieses einmütige Zusammenwirken aller Länder beruht aber auf der Ueberzeugung von dem allseitigen Nutzen des Unternehmens.
In der That ist dieses nicht etwa ein specifisch oesterr:-ungarisches, sondern ein wahrhaft internationales. Es bildet eine Fortsetzung derjenigen Unternehmungen desselben Namens, welche früher zu Paris und London stattgefunden haben, mit dem Unterschiede jedoch, daß der Wiener Weltausstellung die bei jenen früheren Gelegenheiten gewonnenen Erfahrungen, die geographisch günstigere Lage der oesterr. Hauptstadt und die in den letzten Jahren allseitig gemachten großen Culturfortschritte zu Statten kommen und dieselbe sicherlich um so reichhaltiger und nützlicher gestalten werden.
Veröffentlicht: 2023