Der Kunsthof und seine Auswirkungen: Was wurde erreicht?
Anna Stephani
Nachdem wir als Gruppe nachgeforscht haben, was im Kunsthof ausgestellt wurde und wie dieser zustande kam, stellte sich am Ende unseres Projektes die Frage: Was haben die Kunsträume der Wiener Weltausstellung bewirkt?
Die Kunsthalle bildete die westliche Längsseite des östlich vom Industriepalast gelegenen Hofes, und beherbergte die Kunstsäle von Österreich-Ungarn, Frankreich, England, Belgien, Deutschland, Italien, Niederlande und Schweiz. Die nördlichen und südlichen Gebäude des Pavillons des Amateurs hielten eine Vielzahl an Kunstobjekten, die teilweise aus privaten Sammlungen stammten. Weil es in der Kunsthalle nicht genug Platz gab, wurden die Säle von Norwegen, Schweden und Dänemark ebenfalls im Pavillon des Amateurs untergebracht. Der ursprüngliche Gedanke, durch die Weltausstellung das lokale Kunstgewerbe, sowie die Kunst selbst, zu erheben und bereichern, scheint letztendlich durch unvorhersehbare Umwege in der Wiener Gesellschaft angekommen zu sein. Zunächst müssen jedoch die negativen Reaktionen in den Wiener Zeitungen erwähnt werden.
Es ist nicht überraschend, dass das Chaos, welches die Eröffnung des Pavillons des Amateurs begleitete, bei den BesucherInnen der Ausstellung spürbar war. Die gespaltene Generaldirektion, sowie SammlerInnen, die ihre Objekte vor zu vielen Transporten schützen wollten, hatten die Umsetzung des Pavillons erschwert. Diese Interessen wirkten sich negativ auf die generelle Stimmung um den Pavillon des Amateurs aus. Drei Tage nach der Eröffnung, wurde am 19. Mai 1873 im Neuen Wiener Tagblatt mit großer Enttäuschung von den ungeregelten Umständen berichtet. Was zunächst eine Ausstellung der beeindruckendsten und schönsten Kunstobjekte von privaten Kunstliebhabern sein sollte, wurde als gescheitert aufgefasst. Der Autor des Artikels äußert sich:
„Der Pavillon des amateurs(sic!) existiert nicht“ und beschreibt die ausgestellten Objekte als „nicht(s) als die von einander(sic!) unabhängigen Schaustücken, meist den Läden von Raritätenhändlern entnommen, die hier zu kunterbunten Krimskrams hübsch versteckt und verborgen allerdings, zusammengewürfelt sind, die traurigen Rudimente einer großgedachten, genial geplanten, aber kleinlich verkümmerten Sammlung.“ [1]
Der Pavillon des Amateurs schien, von seiner Ausführung bis zu seiner Wirkung, keinen überzeugenden Eindruck hinterlassen zu haben. Die Reaktionen zu den Sälen der Kunsthalle fielen dagegen glücklicher aus. Am 16. Juni 1873 berichtete das Neue Wiener Blatt in seiner Morgenausgabe positiv über die Ausstellungen in der Kunsthalle, und pries deren Vollständigkeit. Gelobt wird dabei der Einblick in die künstlerische Gesamtentwicklung der letzten zehn Jahre, welche von den jeweiligen Ländern präsentiert wurde. Herausgehoben wird die erfolgreiche Sammlung Belgiens, wogegen Ungarn laut dem Autor einen „peinlichen Eindruck“ machte. Auch Italiens Beitrag wird als nicht zureichend bezeichnet. Ein weiterer Kritikpunkt wurde zum offiziellen Kunstkatalog ausgesprochen, da die KünstlerInnen in den Bildunterschriften nicht angeschrieben wurden, und nur aus deren Monogrammen in den Gemälden selbst fassbar waren. Dies machte das Nachschlagen von Werken im Katalog zu einem mühsamen Prozess [2].
Eine amüsante Anekdote stammt aus der Wiener Sonn- und Montags Zeitung, welche am 9. Juni 1873 davon berichtete, wie lebhaft die Kunsthalle besucht wurde, was wohl auch an den vorhanden Sitzmöglichkeiten in den Ausstellungsräumen liegen könnte. Der Autor F. Willfort grübelt, ob die Sitzplätze anziehender waren als die Kunstwerke selbst [3].
Entgegen der eher enttäuschenden Ergebnisse des Pavillons des Amateurs, schien die Kunsthalle auf wohlwollende Gemüter gestoßen zu sein.
Nach der Schließung der Weltausstellung am 2. November 1873, ist das allgemeine Resümee aus den Wiener Zeitschriften schwer fassbar. Erstaunlich ist jedoch, dass bereits am 18. November 1873 ein Tagesbericht zur Zukunft des Kunsthofes in dem Neuen Wiener Tagblatt veröffentlicht wurde. Darin wird von einer Sitzung des Professorenkollegiums der Akademie der Bildenden Künste berichtet, in dem für die Nutzung der Pavillon-Gebäude als Werkstätte für BildhauerInnen und MalerInnen an das Unterrichtsministerium plädiert wurde. Alle anderen Gebäude der Ausstellung waren nicht für Dauer konzipiert, so bilden die Pavillon-Gebäude eine Ausnahme. Der Autor beschreibt den Mangel an verwendbaren Räumlichkeiten für das Kunsthandwerk, und spricht seine Erwartungen aus:
„Auch fehlt es an Räumen für alle Arten größerer Ausstellungen, nicht blos(sic!) von Gemälden in Statue, sondern für Schul- und Zeichenausstellungen, die bekanntlich in den beengten, zur Verfügung stehenden Räumen gar nicht zweckmäßig veranstaltet werden, können. Da es geringer Nachhilfe bedarf, um den schönen Gebäudekomplex, der den „Kunsthof“ umschließt, und der eine besondere Zierde der neuen Prateranlagen bilden wird, für längere Dauer zu erhalten, so steht zu erwarten, daß diesen Wünschen entsprochen werden wird.“ [4]
Tatsächlich soll sich dies bewahrheiten, denn die Gebäude des Pavillons des Amateurs werden bis heute noch unter dem Namen Praterateliers von BildhauerInnen des Bundes genutzt. Da der nördliche Pavillon während des Zweiten Weltkrieges stark beschädigt und darauffolgend renoviert wurde, steht nur noch der südliche Pavillon, in einem beinahe ursprünglichen Zustand, als materielles Überbleibsel der Wiener Weltausstellung [5]. Der Wunsch, dass diese Gebäude „für längere Dauer erhalten“ und nutzbar sein sollten, scheint in Erfüllung gegangen sein. Im Frühjahr 2022, also beinahe 150 Jahre seit der Wiener Weltausstellung, veröffentlichte das Österreichische Bundesministerium die Sanierungspläne für die Praterateliers, die mit Hilfe des EU-Aufbauplans finanziert werden sollen. Das Budget beträgt 11 Millionen Euro und die Arbeiten sollen im Jahre 2025 abgeschlossen werden [6]. Raum und Mittel für Kunstschaffende zur Verfügung zu stellen, scheint also selbst 150 Jahre nach der Wiener Weltausstellung ein Anliegen zu sein. So ist es vielleicht ein versöhnlicher Gedanke, dass nur wenige Tage nach Ausstellungsschluss die Initiative ergriffen wurde, die Gebäude des Kunsthofes zu bewahren und in eine materielle, greifbare und bereichernde Ergänzung an die Wiener Kunstwelt zu verwandeln.
Quellen
[1] Neues Wiener Tagblatt, 19. Mai 1873, URL: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwg&datum=18730519&zoom=33 / S. 1-2.
[2] Neues Wiener Blatt, Morgenausgabe 16. Juni 1873, URL: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=srb&datum=18730616&zoom=33 / S. 12.
[3] Wiener Sonn- und Montags Zeitung, 9. Juni 1873, URL: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wsz&datum=18730609&zoom=33 / S. 2.
[4] Neues Wiener Tagblatt (Tagesausgabe), 18. November 1873, URL: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwg&datum=18731118&zoom=33 / S. 3.
[5] Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wiener Weltausstellung. Überbleibsel, 2013, URL: http://www.wiener-weltausstellung.at/ueberbleibsel.html & Gemeinschaft der MieterInnen der Praterateliers des Bundes, die Praterateliers. BildhauerInnen Gebäude im Wiener Prater, URL: http://praterateliers.at/.
[6] Bundesministerium – Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, EU-Aufbauplan finanziert Sanierung der Praterateliers in Wien, 31.05.2022 URL: https://www.bmkoes.gv.at/Kunst-und-Kultur/Neuigkeiten/Sanierung-der-Praterateliers.html.
Veröffentlicht: 2023