Reaktionen

Reaktionen auf die bildende Kunst aus China

Merve Acar

Die 1873 in Wien stattfindende Weltausstellung diente nicht nur zur Präsentation des internationalen technischen Fortschritts, sondern auch als Bühne, auf der die Länder ihre künstlerischen Leistungen zur Schau stellen konnten. Neben der Industrie bildete vor allem die bildende Kunst den Fokus des Wettstreits. Wir stellten uns also die Fragen: Welche Objekte der bildenden Kunst zeigte die chinesische Abteilung der Weltausstellung? Wie wirkten diese Kunstwerke auf die Wiener Öffentlichkeit?

Neben verschiedensten kunsthandwerklichen Arbeiten wie Seidenstickereien, Schnitzereien und Keramiken befanden sich auf der Wiener Weltausstellung auch zahlreiche Objekte der bildenden Kunst. Die Reaktionen auf diese Exponate seitens der Wiener Besucher:innen fielen unterschiedlich aus. Die rund um die Weltausstellung entstandenen Berichte besprachen nur selten Werke der chinesischen Malerei. Dabei handelte es sich in erster Linie um auf Seide gemalte Bilder; von Aquarellen und Ölbildern ist nur vereinzelt die Rede. Oft vergleichen die Texte die chinesischen Objekte mit japanischen. Während der Naturalismus japanischer Landschaftsaquarelle positiv hervorgehoben wurde, traf die chinesische Malerei meist harsche bis spöttische Kritik [1]. Andere Berichte hingegen nahmen keine Differenzierung zwischen diesen beiden Ländern vor und beschrieben die ostasiatische Malkunst im Vergleich zur europäischen. Der Verfasser eines Beitrages hatte sogar den Eindruck, dass die Malkunst im ostasiatischen Raum „[…] nur diesen secundären Standpunkt einnimmt, nur das schmückende Accessorium eines Principale ist […]“ [2]. In diesem Bericht wird vor allem auf den dekorativen Charakter der chinesischen Malerei verwiesen. Auch der Mangel an Perspektive und Modellierung durch Schatten ist dem Autor ein Indiz dafür, dass die Malkunst der Chinesen, genauso wie die altägyptische oder byzantinische Kunst, zu einer bestimmten Stilisierung erstarrt sei und sich seit Jahrhunderten auf demselben Standpunkt halte.

Die chinesische Malkunst wird von den österreichischen Besucher:innen des 19. Jahrhunderts nicht als seriös, sondern gar als belustigend aufgefasst. Anzumerken ist vor allem, dass sich die offizielle Ausstellungszeitung der Wiener Weltausstellung – im Gegensatz zu anderen Zeitungen –eher diplomatisch gab und mit negativen Bemerkungen zurückhielt. Andere Publikationen fokussierten die Kritik vor allem auf chinesische Figurendarstellungen. Beschreibungen der auf verschiedenen Kunstobjekten dargestellten Figuren reichen von „exzentrisch“ bis „fratzenhaft“. Chinesische Figurenmalerei war, laut einem Besucher „[…] für kaum mehr als für eine gut­müthig-komische Caricatur, welche, wenn sie künstlerisch schaffen will, so wie der ideale Grieche ideale Götter, so ihrerseits eben wieder nur Fratzen hervorbringen kann […]“ [3].

 

Offenbar wirkte das Aussehen der chinesischen Figuren befremdlich auf die europäischen Besucher:innen. Hier ist ein Vergleich mit den Beschreibungen von auf japanischen Kunstgegenständen dargestellten menschlichen Figuren aufschlussreich. Japanische Darstellungen waren nicht einer so harschen Kritik ausgesetzt wie die chinesischen. Das fremde Aussehen der Figuren dürfte daher nicht der ausschlaggebende Grund für die kritische Sicht auf chinesische Darstellungen gewesen sein. Der Grund liegt vielmehr darin, dass im chinesischen Künstler ein geschickt arbeitender Handwerker gesehen wurde, während einem japanischen Künstler hingegen Kunstgeist, Gefühl und ein Sinn für die Schönheit zugeschrieben wurde [4].

Die negative Bewertung der Ausstellungsobjekte Chinas gegenüber denen Japans könnten auch in den unterschiedlichen Handelsbeziehungen Österreichs zu beiden Ländern begründet sein. Vielleicht bewirkten Japans intensive Bemühungen um eine Annäherung an europäische Länder (unter anderem durch diplomatische Sondergesandtschaften um 1873) die unterschiedlich ausfallende Resonanz. Wie sich aus zahlreichen Zeitungsartikeln über die Wiener Weltausstellung herauslesen lässt, wurde besonders China samt seiner Ausstellungsobjekte von den Besucher:innen (trotz der allgemeinen Faszination mit dem fernen Osten) als unzugänglich und fremd empfunden. Das lässt sich besonders gut an den Beschreibungen des am Eingang des Ausstellungsraums für China platzierten Torbogens herauslesen. Durch rhetorische Stilmittel legte der Autor eines Beitrags den Leser:innen nahe, dass man an diesem authentisch chinesischen Tor aufgesteckte Köpfe von Verbrechern vermisste und spielte somit auf verschiedene Hinrichtungsmethoden aus dem fernen Osten hin [5].

Im Special-Katalog der chinesischen Ausstellung von Gustav Ritter von Overbeck (1830-1894), der seit 1866 k.u.k österreich-ungarischer Generalkonsul für Hongkong war, findet sich eine Auflistung sowie Beschreibung der chinesischen Gemälde auf der Weltausstellung 1873 [6] .Neben zahlreichen Landkarten werden auch einzelne Bilder genannt. Die meisten Bilder wurden auf Seide gemalt und dann auf Papier gespannt. Die Mehrheit dieser Gemälde soll Landschafts- oder Gartenszenen mit verschiedenen Gottheiten, die als menschliche Figuren wiedergegeben wurden, gezeigt haben. Dass sich auch einzelne Genredarstellungen auf der Ausstellung befanden, zeigt die Beschreibung eines Bildes aus dem Jahre 1845 von einem gewissen Maler Namens Schen-kia-yüan. Auf dem Bild sollen zwei Frauen in einer Gartenszene dargestellt gewesen sein, wobei eine der Frauen der anderen Schreibunterricht erteilte [7].

Auf den wenigen erhaltenen Fotos können die im Special-Katalog vorgestellten Malereien nicht identifiziert werden. Lediglich drei auf Seide gestickte Landschaftsbilder, die auf der Weltausstellung ausgestellt waren und sich heute im Bestand des Museums für angewandte Kunst (MAK) befinden, können als Referenz zu den in den Zeitungsberichten sowie im Special-Katalog beschriebenen Malereien betrachtet werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Reaktion auf die auf der Weltausstellung präsentierte chinesische Kunst ambivalent ausfiel. Obwohl eine allgemeine Faszination mit dem fernen Osten herausgelesen werden kann, erhielt die chinesische Malkunst eher negative Kommentare. Besonders der Vergleich mit Japan zeigt, dass die Kritik einen politischen Hintergrund gehabt haben dürfte.

Quellen

[1] Internationale Ausstellungs-Zeitung, 18. Mai 1873, Online: ANNO. / S. 5.

[2] Wiener Zeitung, 03. Oktober 1873, Online: ANNO. / S. 11.

[3] Ebd.

[4] Ebd.

[5] Internationale Ausstellungs-Zeitung, 21. August 1873, Online: ANNO/ S. 3

[6] Gustav Ritter von Overbeck (Hg.), Special- Catalog der chinesischen Ausstellung III. Abthteilung Boden-, Industrie- & Kunst- Produkte, Wien 1873. / S. 40.

[7] Ebd. / S. 40-41.

Veröffentlicht: 2023