1851-1867: China auf den frühesten Weltausstellungen in London und Paris (1/5)
Denise Gubitosi
Dieser Text beschäftigt sich mit den chinesischen Bereichen auf den vier frühesten Weltausstellungen (1851-1867) und den dort gezeigten Objekten. Das Anliegen ist, die im Rahmen der Übung „China auf der Wiener Weltausstellung“ gewonnenen Erkenntnisse zur chinesischen Präsenz auf der Wiener Weltausstellung in Perspektive zu setzen. Es wird sich zeigen, dass der chinesische Ausstellungsbereich 1873 vielen Tendenzen der vorangehenden Weltausstellungen folgt. Dies trifft auf die Gruppierung Chinas mit anderen Nationen, den personellen Zuständigkeiten, den ausgestellten Objekten, der architektonischen Rahmung und der Bewertung Chinas zu. Historische Quellen (Pläne, Lithographien, Fotos, Ausstellungskataloge, Zeitungsberichte etc.) und aktuelle Forschungsbeiträge verdeutlichen diese Beobachtungen. Im Weiteren folgt damit die erste umfassende Betrachtung zur Präsenz Chinas auf den frühesten Weltausstellungen von 1851 bis 1867.
Die erste Weltausstellung war die Londoner Great Exhibition von 1851. Veranstaltet wurde sie im Hyde Park im Crystal Palace, der im November 1936 in einem Feuer zerstört wurde. China war bereits auf dieser ersten Weltausstellung vertreten. Der chinesische Ausstellungsbereich befand sich im Erdgeschoss des Crystal Palace nahe dem südlichen Eingang an der Kreuzung von Quer- und Längsgang [ABB.1], also an einer sehr zentralen Stelle.
In unmittelbarer Nähe waren auch die Ausstellungsbereiche von Indien, Persien und Tunesien. Es gibt einige Illustrationen, die Einblicke in die Ausstellungssituation Chinas geben. In Recollections of the Great Exhibition of all nations (1851) sind 25 farbige Lithographien mit Szenen aus dem Inneren des Crystal Palace abgedruckt [1].
In „Part of the China Court“ [ABB.2] erkennen wir einen offenen Ausstellungsbereich, der drei Joche der sichtbaren Eisenkonstruktion einnimmt, mit roten Podesten und hohen Schaukästen für die Exponate. Auf bzw. in diesen sind Keramiken, Bilder, Stellschirme, Textilien, Spiegel (?); von der Decke hängen außerdem diverse Lampen und Lampions. Die zentrale Figurengruppe, eventuell eine Darstellung von Amor und Psyche, ist kein chinesisches Erzeugnis.
Ein weiteres Bild des Albums [ABB.3] zeigt den Blick in die westliche Längsgalerie des Crystal Palace. In der linken unteren Ecke erkennen wir die Figurengruppe aus ABB.2 wieder. Ein Abgleich der Positionen der beschrifteten indischen und persischen Bereiche mit dem Plan aus ABB.1 bestätigt, dass das Bild leicht östlich der chinesischen Ausstellung entstanden sein muss. Auf dem Podest im Vordergrund sehen wir weitere Textilien, Keramiken verschiedener Größen, ein Architekturmodell und in einem Schaukasten eine Figur mit langem blauem Mantel und rotem Spitzhut.
In Dickinson’s comprehensive pictures of the Great Exhibition of 1851 (1854) ist eine weitere Perspektive des chinesischen Ausstellungsbereichs dargestellt [ABB.4]. Dieses Bild zeigt den Blick vom südlichen Eingang Richtung nördliches Querschiff. Auf ABB.4 erkennen wir noch Gemälde, Möbel, Bronzen (?), verschiedene Kästen, ein Bootsmodell und einen von der Decke hängenden Schirm. Zwischen den Objekten sind vier blaue Schilder aufgestellt, die die Aufschrift „Hewett’s Chinese wares […] Fenchurch St.“ tragen. Diesem Namen begegnen wir im offiziellen Katalog zur Weltausstellung 1851 wieder. Hewett ist dort als einer der knapp vierzig Beitragenden zum chinesischen Ausstellungsbereich gemeinsam mit den beigesteuerten Objekten gelistet [2]. Wir lesen etwa:
In ähnlicher Weise sind auch die Beiträge der anderen Aussteller angeführt. Der einführende Text zu China hebt Rohmaterialien, Keramik, Tee und „essbare Vogelnester“ besonders hervor. Es wird auch festgehalten, dass viele der ausgestellten chinesischen Objekte europäischen Händlern bereits länger bekannt waren, jedoch erst kürzlich ihre Wege nach Europa gefunden hatten [4]. Japan ist mit einigen wenigen Objekten (rotes Kupfer, Gemüsewachs, Lack, Pflanzengewebe) im chinesischen Bereich vertreten [5]. Ähnlich der Situation vor Ort ist China in diesem Katalog zwischen Tunesien und Persien angeführt.
Der chinesische Bereich der ersten Weltausstellung wurde nicht von China selbst, sondern von europäischen Personen mit China-Bezug bestellt. Zwischen 1850 und 1864 herrschte in China ein blutiger Bürgerkrieg, der Taiping-Aufstand, der eine mögliche Erklärung für die Nicht-Beteiligung Chinas auf der ersten Weltausstellung ist [6]. Die innenpolitische Situation verlangte die volle Aufmerksamkeit des chinesischen Kaiserreichs. Die Darstellung Chinas 1851 geschieht also vollkommen aus europäischer Perspektive. Dies ist ein Trend, der sich auch auf den folgenden Weltausstellungen beobachten lässt.
Quellen
[1] Lloyd Brothers & Co., Recollections of the Great Exhibition of all nations, London 1851.
[2] Royal Commission, Great Exhibition of the works of industry of all nations. Official descriptive and illustrated catalogue, London 1851. / S. 1421.
[3] Ebd.
[4] Ebd. / S. 1419.
[5] Ebd. / S. 1425.
[6] Han Kou, “The Great Exhibition and the Little One”. Chinese display in Victorian London, in: Otemae Journal, 2008, 8, 203-217. / S. 215.
[ABB.1] Royal Commission, Great Exhibition of the works of industry of all nations. Official descriptive and illustrated catalogue, London 1851, Online: https://wellcomecollection.org/works/pdp6m5e3/items?canvas=316.
[ABB.2] Lloyd Brothers & Co., Recollections of the Great Exhibition of all nations, London 1851. / o.A.
[ABB.4] Louis Haghe/Joseph Nash/David Roberts, Dickinson’s comprehensive pictures of the Great Exhibition of 1851, London 1854. / o.A.
Veröffentlicht: 2023