Vorgeschichten

1851-1867: China auf den frühesten Weltausstellungen in London und Paris (2/5)

Denise Gubitosi

Nach London veranstaltete Paris 1855 die zweite Weltausstellung, die Exposition Universelle. Sie wurde im Bereich der Jardins des Champs Élysées nördlich der Seine abgehalten. Das Ausstellungsgelände befand sich zwischen dem Place de la Concorde und der heutigen Métrostation Alma-Marceau und umfasste mehrere Bauten. Die beiden wichtigsten waren das Palais de l’industrie und das Gebäude der Exposition des beaux arts. Die Quellenlage um die Präsenz Chinas auf dieser Exposition Universelle gestaltet sich sehr problematisch. China ist im Catalogue officiel zur Weltausstellung nicht angeführt. Zwar gibt es Verweise auf einzelne chinesische Objekte, jedoch stets nur im Kontext von anderen ausstellenden Ländern [7]. Auch auf dem offiziellen Plan des Industriepalastes ist China nicht mit einem eigenen Ausstellungsbereich eingezeichnet [ABB.5].

ABB.5:
ABB.5: Plan des Palais de l’industrie der Exposition Universelle 1855 in Paris.

Einen eindeutigen Hinweis darauf, dass China auf der zweiten Weltausstellung durchaus vertreten war, zeigt aber der Plan des Palais des beaux arts [ABB.6].

ABB.6: Plan des Palais des beaux-arts der Exposition Universelle 1855 in Paris.

Im südwestlichen Teil des Gebäudes, unweit vom Haupteingang auf der Avenue Montaigne, befindet sich ein Raum mit der Beschriftung „salon chinois“. Der Plan selbst verdeutlicht nicht, wie dieser Salon gefüllt war. Auskunft darüber geben jedoch zeitgenössische Zeitungsberichte. Am 6. Juli 1855 publizierte Le Moniteur universel einen Artikel des Schriftstellers Théophile Gautier (1811-1872) zu der „Collection chinoise“ im Palais des beaux arts [8]. Der Text versucht in erster Linie eine Charakterisierung des fernen „empire du Milieu“ und seiner Bevölkerung und macht dies mittels für das 19. Jh. stereotypischer Beschreibungen und Charakterzuschreibungen. Vor allem die „Merkwürdigkeit“ Chinas wird betont [9]. Der Autor erwähnt einige Objekte des salon chinois, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass es sich um europäische Chinoiserien handelt (etwa zwei Bronzen von Jules Cordier oder ein Gemälde der Geburt der Venus) und führt auch Teile eines von ihm verfassten Gedichts mit dem Titel „Chinoiserie“ an [10]. Er schreibt, dass der salon chinois Malereien (etwa von Frauen, Kranichen oder Ausländern) und Alben enthält, der beste Teil aber jener ist, der Bronzen, Porzellan, Emaille- und Lackarbeiten, Möbel, sowie Objekte aus Jade und Elfenbein zeigt. Besondere Hervorhebung erfahren sog. „Duftbrenner“ („brûle-parfum“) [11].

Durch den kurzen Beitrag wissen wir auch, dass in dem Raum Schilder mit Informationen zu den Objekten bzw. zur chinesischen Geschichte angebracht waren und die Sammlung auf einen M. de Montigny (1805-1868) zurückgeht. Dieser Monsieur war ehemaliger französischer Konsul in Shanghai und Ningbo, wie im Text angegeben. In einem weiteren Zeitungsartikel vom 15. Juli 1855 lesen wir, dass auch buddhistische Exponate und Musikinstrumente ausgestellt waren [12]. Die Rede ist außerdem von einem 6 m hohen Modell einer Pagode oder eines Tempels. Die Ausstellung scheint im Rahmen einer collection complète de personnages auch Auskunft über die Bevölkerung Chinas (Kaiser, Hofdamen etc.) gegeben zu haben. Zur Ein- und Aufteilung der chinesischen Sammlung sagt der Artikel, sie habe aus zwölf salons bzw. zwei Galerien bestanden, doch leider ist unklar, ob sich dies auf verschiedene Räumlichkeiten oder Schaukästen innerhalb eines Raumes bezieht [13]. Der Autor spricht sehr beeindruckt von der chinesischen Ausstellung und fordert sein Publikum zu einem Besuch auf. Einige Porzellanvasen, Teedosen und diverse Möbelstücke gefielen ihm sogar so gut, dass er – wenn er nicht ein ehrlicher Mann wäre – sie gerne für seine persönlichen Regale mitgehen lassen hätte [14].

In einer kurzen Annonce vom 9. August 1855 wird mitgeteilt, dass der Eintrittspreis für die chinesische Ausstellung von einem Franc auf 50 Centimes reduziert wurde [15]. Auch hier erfährt der Salon chinois eine sehr positive Bewertung; es wird angemerkt, dass die Sammlung „plus tard doit prendre place dans les musées impériaux“ [16]. Es wäre von großem Interesse, zu klären, ob bzw. welche chinesischen Objekte in diesem Kontext Einzug in öffentliche Pariser Sammlungen gefunden haben. In dem Artikel erfahren wir auch, dass dieser Ausstellungsbereich nicht unter der Administration der commission impériale steht, also unabhängig von der offiziellen Organisation zusammengestellt worden ist. Am 16. November 1855, wird ein Beitrag eines Benjamin Gastineau zu den „Produkten des Orients“ (laut Titel Tunesien, Griechenland und China; Text bezieht sich aber nur auf China) abgedruckt [17]. Der Autor nimmt darin ebenfalls eine Charakterisierung Chinas und seiner Bevölkerung vor und geht auf die verschiedenen in der Sammlung ausgestellten Objekte ein. Die Rede ist von insgesamt drei chinesischen Ausstellungen: eine im Palais de beaux arts, eine weitere im Palais de l’industrie und jene eines M. Houssaye.

J.-G. Houssaye war ein französischer Teehändler, der auch andere Waren aus China vertrieb. Zwischen Mitte August und dem 13. September 1855 ließ er fast täglich in verschiedenen französischen Lokalzeitungen seine Grande exposition chinoise bewerben [18]. Die erste Ankündigung findet sich am 25. Juni 1855, knapp ein Monat nach Eröffnung der Exposition Universelle. Dort steht: „L’exposition chinoise créée avenue Montaigne 66, par M. J.-G. Houssays, nég. en thés, rue Vivienne 36, ouvrira mardi prochain, à midi. – Entrée, 1 fr.“ [19]. M. Houssayes Teegeschäft, A la porte chinoise befand sich im 2. Pariser Arrondissement in 36 Rue Vivienne. Die Grande exposition chinoise wurde jedoch im Veranstaltungsbereich der Exposition universelle abgehalten. Es ist nicht klar, welches Verhältnis zwischen der offiziellen Weltausstellung und der von M. Houssaye kuratierten exposition besteht. In den späteren Annoncen wird der zuvor zitierte Text erweitert und die Ausstellung als die „kurioseste und umfassendste [Ausstellung], die bis heute in Frankreich zu sehen ist“ bezeichnet [20]. Gezeigt wurden Bronzen, Porzellan, Lack- und Emaille-Arbeiten, Elfenbein- und Holzschnitzereien, sowie Tee und Gegenstände aus Japan. Das Anliegen der Grande exposition chinoise des M. Houssaye, zu der er auch eine Abhandlung mit dem Titel Notice sur la Chine pour servir de catalogue à la grande exposition chinoise (1855) veröffentlichte, war wohl eher der Verkauf der Objekte als deren Zurschaustellung, da die Annoncen „sofortige Lieferung“ versprechen. Welche Objekte konkret vertreten und wie die Ausstellungsräume gestaltet waren, lässt sich weder im Falle der Grande exposition chinoise des M. Houssaye noch bei dem Salon chinois des M. Montigny im Palais des beaux arts rekonstruieren.

Zuletzt verlangt die chinesische Ausstellung im Palais de l’industrie Aufmerksamkeit. Im Plan [ABB.5] ist für China, wie bereits erwähnt, kein eigener Bereich eingezeichnet. Auch der Catalogue officiel zur zweiten Weltausstellung, der von der commission impériale publiziert wurde, erwähnt keine chinesische Abteilung [21]. Aus dem zuvor zitierten Zeitungsartikel wissen wir jedoch, dass China im Palais de l’industrie vertreten war [22]. Eine mögliche Erklärung für diese Vernachlässigung ist, dass die Organisation und Vorbereitung der Weltausstellung offensichtlich von Problemen begleitet war. Darüber berichten diverse Zeitungen noch nach der offiziellen Eröffnung der Großveranstaltung am 15. Mai 1855. In einem Artikel vom 27. Mai 1855 heißt es, „französische, englische, chinesische, deutsche, japanische, schweizerische, amerikanische und holländische Kisten“ wären miteinander vermischt worden [23]. Der Autor, Edmond Texier, spricht vom Eindruck eines „Paketsalats“ (macédoine de colis) [24]. Noch am 27. Juni 1855 schreibt Benjamin Gastineau, China wäre „unvollständig“ [25]. In dem Text Promenades dans l’exposition universelle de 1855 von Joel Cherbuliez finden wir schließlich doch eine kurze Beschreibung des chinesischen Ausstellungsbereichs, der sich „rechts neben der Türkei“ befand [siehe ABB.5] [26]. Der Autor führt darin an, dass sich dort Vasen, Tassen, Schirme, Truhen, Räucherstäbchen, Stellschirme (mit Lack- und Glaselementen), Modelle von Pavillons, Textilien und auch Gegenstände aus Japan befanden [27]. Dem Text können wir außerdem entnehmen, dass die chinesische Abteilung von der „maison d’Alsème frère à Paris“ zusammengestellt wurde. Die Gebrüder d’Alsème vertrieben Kaschmir aus Indien und chinesische Seidenstoffe an zwei Pariser Standorten (9 Rue Chauchat und 22 Rue de Provence) [28]. Leider ist kein fotografisches oder illustratives Material zu den chinesischen Objekten auf der zweiten Weltausstellung erhalten.

Quellen

[7] Siehe: Panis (Hg.), Exposition des produits de l’industrie de toutes les nations 1855. Catalogue officiel publié par ordre de la commission impériale, Paris 1855.

[8] Théophile Gautier, Exposition Universelle de 1855. Peinture.-Sculpture. Collection chinoise, in: Le Moniteur universel, 6. Juli 1855, 741-742, Online: https://www.retronews.fr/journal/gazette-nationale-ou-le-moniteur-universel/6-juillet-1855/149/2618179/1.

[9] Ebd. /S. 742.

[10] Dieses Gedicht wurde als Teil einer Gedichtsammlung bereits 1838 in Théophiles Gautiers La Comédie de la mort („Die Komödie des Todes“) publiziert.

[11] Théophile Gautier, Exposition Universelle de 1855. Peinture.-Sculpture. Collection chinoise, in: Le Moniteur universel, 6. Juli 1855, 741-742, Online: https://www.retronews.fr/journal/gazette-nationale-ou-le-moniteur-universel/6-juillet-1855/149/2618179/1. / S. 743.

[12] Delmare, La Chine à Paris et aux Champs-Élysées, in: Le Tintamarre, 15. Juli 1855, 2-3, Online: https://www.retronews.fr/journal/le-tintamarre/15-juillet-1855/96/1161955/2 / S. 2-3.

[13] Ebd. /S. 3.

[14] Ebd.

[15] Le Moniteur universel, [Ohne Titel], 9. August 1855, [unpaginiert], Online: https://www.retronews.fr/journal/gazette-nationale-ou-le-moniteur-universel/9-aout-1855/149/1429785/1/ S. 877.

[16] Ebd.

[17] Benjamin Gastineau, Exposition universelle. Produits de l’Orient. Tunis. – La Grèce. – La Chine, in: Le Siècle, 16. November 1855, [unpaginiert], Online: https://www.retronews.fr/journal/le-siecle/16-novembre-1855/93/808545/4.

[18] Letzte Anzeige vom 13. September 1855: La Patrie, Grande exposition chinoise, 13. September 1855, [unpaginiert], Online: https://www.retronews.fr/journal/la-patrie-1841-1937/13-septembre-1855/2935/4588239/4.

[19] L’Assemblée nationale, [Ohne Titel], 25. Juni 1855, [unpaginiert], Online: https://www.retronews.fr/journal/l-assemblee-nationale/25-juin-1855/637/2110953/4.

[20] Etwa: Le Droit, Grande exposition chinoise, 13. August 1855, Online: https://www.retronews.fr/journal/le-droit/13-aout-1855/1837/3357801/4 / S. 782.

[21] Siehe: Panis (Hg.), Exposition des produits de l’industrie de toutes les nations 1855. Catalogue officiel publié par ordre de la commission impériale, Paris 1855.

[22] Benjamin Gastineau, Exposition universelle. Produits de l’Orient. Tunis. – La Grèce. – La Chine, in: Le Siècle, 16. November 1855, [unpaginiert], Online: https://www.retronews.fr/journal/le-siecle/16-novembre-1855/93/808545/4.

[23] Edmond Texier, Chronique hebdomadaire, in: Le Siècle, 27. Mai 1855, [unpaginiert], Online: https://www.retronews.fr/journal/le-siecle/27-mai-1855/93/848535/2.

[24] Ebd.

[25] Benjamin Gastineau, Exposition universelle. Produits de l’Orient, in: Le Siècle, 27. Juni 1855, [unpaginiert], Online: https://www.retronews.fr/journal/le-siecle/27-juin-1855/93/854405/2.

[26] Joel Cherbuliez, Promenades dans l’exposition universelle de 1855. Palais de l’industrie et annexes, Paris 1855. / S. 116.

[27] Zu den ausgestellten Objekten und die Reaktionen darauf siehe auch:

Wong Yuet Heng, The display of Chinese art in late 19th-century French houses and museums, Hong Kong 2017 (Masterarbeit, The University of Hong Kong). / S. 38-40.

[28] Gebrüder Didot, Annuaire-almanach du commerce, de l’industrie, de la magistrature et de l’administration, ou Almanach des 500,000 adresses de Paris, des départements et des pays étrangers, Paris 1862. / S. 203.

Veröffentlicht: 2023