Kontemporärer Blick
Leonie Hauser
Zeitgenössische Ausstellungen stellen sich der besonderen Aufgabe, Wissen auf eine innovative Art zu vermitteln. Um dies „verdaulicher“ für die Zielgruppe zu gestalten, gewinnt die Frage, wie man heutzutage ausstellen soll immer mehr Aufmerksamkeit. Von interaktiven Vermittlungsmethoden zu inklusiver Sprache steht momentan die Vermittlung von Wissen im Vordergrund. Dass sich diese Ausstellungspraxis erst in den letzten 150 Jahren entwickelt hat, zeigt die Wiener Weltausstellung 1873. Betrachtet man die von der Wiener Fotografen Assoziation angefertigten Aufnahmen, bemerkt man schnell, dass die Menge der Exemplare über deren Inhalt steht.
Die von der Fotografenassoziation aufgenommenen Fotos überliefern dabei ein reiches Mobiliar, sowie eine unübersehbare Anzahl an Vasen. Die Räume wurden ohne großläufige Texte ausgestellt, über die der Besucher mehr erfahren konnte.
Wie haben sich also die Besucher über die Objekte informiert? Bei genauerer Betrachtung der Fotografien fällt auf, dass kleine, viereckige Notizzettel an den jeweiligen Exemplaren angebracht wurden. Ähnliche Etiketten haben sich bis heute auf manchen Objekten erhalten: In der Sammlung des Weltmuseums befinden sich einige Objekte mit Beschriftungen, welche eine kurze Beschreibung liefern, sowie eine Inventarnummer. Ob es sich dabei um Originale handelt, ist jedoch fraglich. Fest steht jedoch, dass ähnliche Etiketten schon zur Weltausstellung existierten. Die Ausstellung der Objekte erfolgte zusammen mit einer Katalogisierung. Dies zeigt auch der offizielle Generalkatalog der Weltausstellung, in welchem die Ausstellungsstücke zusammen mit ihrer Herkunftsstadt genannt wurden [1]. Dass Autoren, die über die chinesische Abteilung berichteten, auch über die Objekte Bescheid wussten, bestätigen die zeitgenössischen Zeitungsberichte. In der Weltausstellungsbeilage der Morgenpost werden einige der ausgestellten Objekte kommentiert und bis hin zu ihrer Materialität beschrieben [2].
In den erhaltenen Fotografien fallen vor allem die schon erwähnten stark überfüllten Räume auf. Während sich das zeitgenössische Auge vielleicht überfordert fühlt, sind diese im Anbetracht ihrer Zeit eine durchaus gängige Praxis gewesen: Vergleicht man die Aufnahmen der Weltausstellung mit Ausstellungen und Salons derselben Zeit, so wird man schnell erkennen, dass die Präsentation sehr ähnlich war. Um so viel wie möglich zur Schau stellen zu können, musste dementsprechend ein angemessener Präsentationsplatz aufgegeben werden. Auch wenn dieser Zugang im 19. Jahrhundert üblich war, bedeutet dies jedoch nicht, dass diese Vermittlungsstrategie für eine Exposition dieser Größe ideal war. So kamen die im Rahmen der Übung geführten Diskussionen immer wieder auf die Anmerkung zurück, dass die Räume überladen, wenn nicht sogar überfordernd waren. Diese kontemporäre Auffassung ließ sich auch in den Kritiken der damaligen Zeitungen wiederfinden. So warnt auch ein schriftlicher Guide über das fordernde Angebot, das die Ausstellung zu bieten hat:
„Es wird dies aber doch nur auf Kosten seines Fassungsvermögens und Gedächtnisses gesehen können, welchen beiden damit eine starke Dosis zugemutet werden wird.“ [3]
Ein Rückblick auf die letzten 150 Jahre lässt daher zum Entschluss kommen, dass die Ausstellungspraxis ein sich immer wieder verändernder Prozess ist. Während 1873 die Menge der Exponate einen höheren Stellenwert besaßen, versucht man heute, den Inhalt durch eine Handvoll qualitativer Beispiele zu vermitteln.
Quellen
[1] Kat. Ausst. Wiener Weltaustellung 1873, Welt-Austellung 1873 in Wien. Officieller General Catalog (Verlag der General Direction), Wien, 1873.
[2] Ohne AutorIn, Bei den Chinesen, in: Morgen Post, Nr. 1873 / S. 13.
[3] Ohne Autor, Wanderungen durch die Weltausstellung, Allgemeine Rundschau, Wien 1873.
Veröffentlicht: 2023