Räumlichkeiten

Raum 1 (1/3)

Carmen Dalla Torre

Insgesamt besaß China drei verschiedene Ausstellungsräume im Industriepalast der Wiener Weltausstellung 1873 [ABB.1]. Ein genauer Plan des Ausstellungsaufbaus oder ein vollständiger Katalog der chinesischen Präsentation sind nicht überliefert. Mithilfe von Zeitungsartikeln, Berichten und Fotos der Wiener Photographen Association gelang es uns jedoch, ein ziemlich genaues Bild der Räume Chinas auf der Wiener Weltausstellung zu erlangen. Dieser Text widmet sich der chinesischen Ausstellung im vorderen Teil der – von Osten gezählt – zweiten Seitengalerie, die nördlich an die östliche Längengalerie Industriepalasts anschloss. Der Raum soll hier als Raum 1 bezeichnet werden. Ich werde versuchen, den Grundriss und die Ausstellungsstücke zusammenzufassen und zu beschreiben.

ABB.1: Rekonstruktion chinesischer Ausstellungsbereich.

Aus Zeitungsartikeln und Berichten, welche während der Wiener Weltausstellung veröffentlicht wurden, kann entnommen werden, dass Raum eins, der erste der drei Ausstellungsräume war, welcher bereits zu Beginn der Ausstellung eröffnet wurde. Die zwei weiteren Räume wurden erst einige Wochen nach der Eröffnung der Wiener Weltausstellung für Besucher freigegeben [1].

Raum 1 betrat man von der türkischen Abteilung in der östlichen Längengalerie. Die gesamte Anlage war überdacht. Durchquerte man Raum 1 zur Gänze, so gelangte man in die Ausstellungsräume von Persien und später Rumänien. Es gab zwar keine baulichen Trennungen zwischen den Abteilungen, aber Schilder, welche sich zentral oberhalb zwischen Vorhängen befanden [ABB.2]. Ob im Zuge der Überdachungsarbeiten im Hof die Mauer zur Seitengalerie durchbrochen und man von Raum 1 aus Raum 2 betreten konnte, lässt sich anhand der erhaltenen Materialien nicht genauer bestimmen. Es ist weiterhin nicht auszumachen, ob es eine vorgegebene Besichtigungsroute gab.

ABB.2: Wiener Weltausstellung 1873; Seitengalerie II, Wien Museum.

Jetzt aber nochmals genauer zum Raum selbst: Der Besucher konnte über die östliche Längengalerie Raum 1 direkt betreten. Dabei durchquerte er zunächst das chinesische Tor am Anfang der Seitengalerie, welches, mit den Symbolen für Ying und Yang und verschiedenen chinesischen Aufschriften gestaltet, auf vielen Fotos der Wiener Photographen Association zu sehen ist [ABB.3].

ABB.3: Wiener Weltausstellung 1873; Chinesisches Tor (Nr. 1524), Wien Museum.

Übersetzt steht Oben im Zentrum des Tores 大清國 (Da Qing guo), also das große Qing-Reich, womit China gemeint ist. Die unteren beiden Abschnitte sind  Phrasen aus jeweils vier Zeichen; 來百工也 lai bai gong ye und 柔遠人也 rou yuan ren ye. Die Ausdrücke stammen aus dem Zhongyong (Das Buch von Mitte und Maß) und gehen auf Konfuzius zurück. Sie bedeuten so viel wie  „ziehe die geschickten Handwerker an, behandle die, die dir fern sind, mit Sanftmut“. (Übersetzung von Robert Eno) [2].

Quellen

[1] Unbekannter Autor, Beilage zu Nr. 176 der “Wiener Weltausstellungszeitung”, Sonntag 15. Juni 1873, in: Wiener Weltausstellungszeitung 1873, URL: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wwz&datum=18730615&seite=5&zoom=33 / S. 5.

[2] Robert Eno, The Greaat Learing and the doctrine oft he mean. An online teaching transaltion, 2016, URL: https://chinatxt.sitehost.iu.edu/Daxue-Zhongyong.pdf. / S. 36.

[ABB.1] Leonie Hauser/Annika Schneiderbauer, Wien.

Veröffentlicht: 2023